Samstag, 21. Juni 2014

Ich bin ich


Überzeugt, ich würde im Vorausschauen und Vorausstapfen die Lösung aller Probleme finden, ging ich los. Denn „es“ geht ja bekanntlich immer weiter. Also muss ich „ihm“ hinterherlaufen. Plötzlich begegnete ich meinen Fehlern und musste sie alle noch einmal erleben. Den Alkoholismus meiner Lebensgefährten, den Vater unter dessen Tisch ich meine Beine streckte. All die falschen Entscheidungen. Als ich den Daumen in den Mund steckte, bemerkte ich die falsche Drehrichtung des Universums. Ich hatte beim Start falsch herum gestanden. Und nun? Noch einmal zurück und vorwärts? Eine zweite Chance? Oder noch einmal das selbe, weil ich ich bin?

Dienstag, 17. Juni 2014

Überfall am hellichten Tage

Sie schaut sich um. Diese Stelle hier ist vielversprechend. Vorsichtig trampelt sie einen Pfad in die Brennesseln unter dem Baum. Rückwärts schiebt sie das Fahrrad auf die freigetrampelte Stelle, und prüft, ob das Rad festen Stand hat. Steht! Mit dem Stockschirm angelt sie nach den Ästen über ihrem Kopf und beginnt, Beeren abzupflücken. Dicke, schwarze Felsenbirnen, voller Saft. Da! Hinterrücks wird ihr Bein umschlungen. Stiche dringen durch die Jeans in ihre Haut. Sie schreit auf: „Lass mich sofort los, oder ich mach dich platt!“ Vorsichtig zupft sie die Brombeeranke von ihrem Bein und trampelt sie in Grund und Boden.

Samstag, 14. Juni 2014

Mal wieder ein Drabble



Die Feindin

Schlecht gelaunt sitze ich in der Wohnung und weiß nicht, wie ich mit ihr umgehen soll. Ihre Präsenz lässt mich schwitzend aufs Bett fallen, aller Energie beraubt, depressiv und lustlos, gefangen für Wochen und Monate. Zum Glück betritt sie niemals meine Wohnung. Sie wartet unten vor dem Haus darauf, dass ich herauskomme. Und sie weiß, dass ich mehrmals täglich auftauchen werde. Kein Mensch kann monatelang in den eigenen vier Wänden verharren. Schon gar nicht mit Hund. Wir müssen raus. Vor der Tür steht sie dann. Mit voller Wucht schlägt sie mir ins Gesicht, sobald ich die Tür öffne. Verfluchte Sommerhitze!
 

Wannenbad mit Behinderung

Das Einsteigen klappt inzwischen ganz gut, mit dem defekten unbeugbaren Knie, Sie hockt sich auf die Schräge am Kopfende uns lässt sich langsam ins Wasser gleiten. Das Aussteigen erfolgt in umgekehrter Reihenfolge. Allerdings ist nun alles rutschig, seifig, schmierig. Mit dem gesunden Bein stemmt sie sich die Wannenschräge hinauf, versucht ausreichenden Halt zu finden, da rutscht der Fuß weg! Wie auf einer Rutschbahn geht es abwärts. Der rutschende Körper verursacht eine Tsunamiwelle am Fußende der Wanne. Wasser schwappt über den Wannenrand und flutet die Badezimmerfliesen. Es ist nichts passiert, sie sitzt nur wieder in der Wanne. Jetzt allerdings mit Lachflash!

 

Schmalz

Sie starrt aus dem Fenster. Regen. Auf dem Bordstein sitzt eine Frau. Lange Haare hängen über ein erschöpft aussehendes Gesicht, leer der Blick, herabhängede Schultern. Ein Reiter nähert sich. Schwarz das Pferd, schwarz der Umhang des Mannes. Er zügelt das Tier, steigt ab. Sanft hebt er die Frau auf und setzt sie auf das Pferd. Er steigt hinter ihr auf, hüllt sie schützend in den Umhang. Die Augen schließend, birgt sie das Gesicht an seinem Hals. Langsam reiten sie davon.

Ihr Blick kehrt zurück. Sie nimmt Schmalz auf das Messer, bestreicht ihr Brot, streut Salz darauf und beißt herzhaft hinein. 

 

Ausruhen

Sie schaut auf die Autobahn und setzt sich langsam in Bewegung. Den Hügel runter und quer rüber. Am besten direkt hier, in der Kurve. Überraschung! Ein Merzedes kommt angeflogen, steigt in die Bremsen, es quietscht. Nichts passiert. Glück gehabt, der Merzedes. So, drüben angekommen. Und nun? Die Autobahn entlang? Könnte spaßig werden. Sie kriecht los. In voller Breite. Ziemlich viel los hier, aber das macht die Sache nur interessanter. Hinter ihr kommt ein Audi. Volle Kanne, im Überholvorgang. Bremsen quietschen, es scheppert blechern, Dauerhupen und wieder scheppern. Die Stelle ist gut gewählt. Hier will sie liegen bleiben. Die dicke Nebelwand.

 

Moni Tor

Moni Tor fühlt sich beobachtet. Eine Frau hat an ihrem Tisch Platz genommen und starrt sie an, ihre Finger trommeln auf der Tischplatte. Moni Tor fühlt sich nicht wohl. Die Frau schaut tief in sie hinein, als wolle sie in Moni Tor’s Seele lesen. Moni Tor weiß nicht, was sie gerade von sich preisgibt, was sie diesem eindringlichen Blick offenbart. Es scheint sehr interessant zu sein, denn die Frau nippt kurz an ihrem Tee, trommelt dann immer schneller mit den Fingern und blickt Moni Tor an. Da plötzlich steht die Frau auf und schaltet den Bildschirm ab. Moni Tor erstarrt.

 

Lärmbelästigung

Ich fahre erschreckt zusammen. Was ist das für ein Ton? Den Küchenwecker hab ich doch gerade abgeschaltet. So laut ist der nicht. Diesen nervigen Ton kenne ich nicht, wo kommt der her? Oh Gott, der Rauchmelder. Hier qualmt doch gar nichts! Wie schalte ich den aus? Der ist zu hoch. Stuhl! Draufsteigen, Druck auf den Rauchmelder, er schreit weiter. Ein Schlag mit der Faust, er fällt runter, schreit aber weiter. Wie nervig ist das denn? Da ein rotes Knöpfchen auf der Rückseite. Kann man reindrücken. Stille! Und was war nun? Frau Wirrkopf hat Plätzchen gebacken. Die waren etwas zu dunkel. 

 

Ich bin Ich!

Überzeugt, ich würde im Vorausschauen und Vorausstapfen die Lösung aller Probleme finden, ging ich los. Denn „es“ geht ja bekanntlich immer weiter. Also muss ich „ihm“ hinterherlaufen. Plötzlich begegnete ich meinen Fehlern und musste sie alle noch einmal erleben. Den Alkoholismus meiner Lebensgefährten, den Vater unter dessen Tisch ich meine Beine streckte. All die falschen Entscheidungen. Als ich den Daumen in den Mund steckte, bemerkte ich die falsche Drehrichtung des Universums. Ich hatte beim Start falsch herum gestanden. Und nun? Noch einmal zurück und vorwärts? Eine zweite Chance? Oder noch einmal das selbe, weil ich ich bin?

 

 

Hunger

Sie sitzt seit Stunden am PC und arbeitet. Sie hat Hunger. Sie müsste sich etwas zu essen machen. Aber sie kann nicht aufstehen. Seufzend schaut sie an ihren Beinen entlang, hinunter zu ihren Füßen. Nein, sie kann nicht. Sie arbeitet weiter. Verhungern wird sie schon nicht. Sie denkt an Kuchen, an saftige Butterbrote mit Spiegeleiern und Ketchup. Er liegt da und schläft und sie kann nicht aufstehen. Im Kühlschrank steht herrlich kalter Orangensaft. Sie müsste nur aufstehen und in die Küche gehen. Aber sie kann nicht. Sie bringt es nicht fertig, den schlafenden Hund auf ihren Füßen zu wecken. 

 

Häutung

Vorsichtig ritzt sie die Haut mit dem Messer ein und beginnt, sie abzuziehen. Boah, schon wieder so eine, die sich nicht großflächig abziehen lässt und sofort das Messer verklebt. Die Haut zerfasert in schmale Streifchen um dann ganz abzureißen. Die anschließende Schabearbeit ist mühsam. Woran liegt das bloß? Manchmal kommt sie in großen Stücken ab, ein anderes Mal in kleinen Fitzelchen. Am Untergrund kanns nicht liegen. Sorgfältig arbeitet sie weiter, verliert fast die Geduld. Aber je ungeduldiger sie wird, umso kleiner werden die Fitzelchen. Sie seufzt, reinigt das Messer unter fließendem Wasser und schabt. Sie mag keine Pellkartoffeln mit Schalenfitzelchen. 

 

Erdbeben

Sie fliegt und fliegt. So viel Raum und doch nicht unendlich. Sie fliegt zurück. Da, ein Gebirge inmitten eines Sees. Sie landet auf einem Felsen und beginnt, sich zu säubern. Wäscht sich das Gesicht, den Hals, die Flügel. Der Boden ist feucht, aber sie hat guten Halt und ruht sich aus. Manchmal fliegt ein Wassertropfen an ihr vorbei. Gerade trinkt sie einen Schluck Wasser, als der See durch einen Stoß erschüttert wird. Ein Felsen kommt ins Rutschen, wodurch einer der fliegenden Tropfen ihren Kopf trifft. Sie verliert das Gleichgewicht, rutscht ins Wasser, schwimmt, strampelt … die Fliege ertrinkt im Zimmerbrunnen.

 

 Du sollst nicht töten

Gott, das mit dem Frieden wird nicht gehen! So lange Menschen sich in Armeen verpflichten, um das Töten zu erlernen und sich dabei anerkannt fühlen. So lange Menschen das Töten genießen, weil sie die Macht oder den Befehl dazu haben. So lange für das Töten auf Befehl Absolution erteilt wird. So lange sich Menschen in der Rüstungsindustrie verdingen, ohne zu bedenken, dass sie den Tod herstellen. So lange Veteranen stolz auf ihre verkrüppelten Körper sind und ihre Waffe mehr lieben als ihre Gesundheit. So lange wird die Sache mit dem Frieden nicht gehen, Gott. So lange wird der Teufel lachen. 

 

Du schläfst nur

Jeden Morgen lege ich meine Hand auf deine Brust und nehme deine Pfote in die Hand. Erleichtert spüre ich das Klopfen deines Herzens und das Zittern deiner Pfote. Du drückst deine Krallen in meine Handfläche. Gerne wüsste ich, wovon du träumst. Meine Finger kraulen dein Brustfell und du blinzelst durch halb geschlossene Lieder. Es folgt ein langer, tiefer Atemzug und du schmatzt genüsslich. Manchmal wünsche ich mir, du würdest schnarchen. Aber dein Atem geht lautlos. Immer! Darum muss ich mich jeden Morgen neu vergewissern, dass …. Und jeden Morgen stelle ich erleichtert fest: Du schläfst nur. 

 

Der Sinn des Lebens.

Ich stehe am Abgrund. Übelkeit beim Gedanken, ich könnte dort hinunterfallen. Springen wär gut. Was ist schon das Leben? Eine Aneinanderreihung von Zufällen, die mir selten gut tun. Man erwartet von mir, an mich gerichtete Erwartungen zu erfüllen. Das will ich nicht. Was will ich? Ich weiß es nicht. Ich kann mit dieser „Leberei“ nichts anfangen. Gar nichts. Alle Versuche zu leben haben anfangs Spaß gemacht, dann wurde Routine, Langeweile daraus oder beides. Seit ich denken kann, will ich sterben. Etwas setzt sich neben mein linkes Bein. Mein Herz wird warm und weich. „Komm mein Hund! Geh’n wir nach Hause.“