Samstag, 16. Mai 2015

Wann verpasst man Leben?

"Das macht mich echt traurig, dass ich so viel Leben verpasse."
Dieser Satz erregte heute Anstoß. Nur weil man 5 Monate ausgebremst sei, ginge das Leben nicht an einem vorbei!

Nun dreht das Runden in meinem Kopf!

Subjektiv habe ich aber das Gefühl, dass ich in diesem Jahr bereits 5 Monate meines Lebens verpasst habe. Die sind weg, die kann ich nicht nachholen. Und ich mag mir weder das Gefühl, noch die Trauer darüber verbieten lassen.

Seit Dezember 2014 habe ich keine Chance, an irgend etwas teilzunehmen. 
  • Zuerst war der Hund krank mit seinem Durchfall und war schlapp. Da macht man nix außergewöhnliches mit einem Tier. Das zog sich von ca. Dezember bis Ostern.
  • In dieser Zeit war zusätzlich ich 4 Wochen mit Grippe erschlagen. Da macht man auch nix anderes als rumliegen und sich schwach fühlen.
  • Dann kam im Frühjar das Mistwetter mit pausenlos Regen. Das macht keine Lust auf Ausflüge oder Wanderungen. Man war ja froh, wenn man nicht patschnass und schwarz vor Dreck aus dem Wald nach Hause kam.
  • Ostern bin ich gefallen und seit dem ist das Knie kaputt. Das wird sich auch noch ein paar Wochen hinziehen.

So wurde aus Dezember 2014 schließlich Mai 2015 und ich habe das traurige Gefühl, dass das Leben 5 Monate an mir vorbeigerauscht ist.  Lebenszeit, die ich halt irgendwie hinter mich brinen musste und immer froh war, wenn das eine oder andere Problem abgeschlossen war und ich hoffen konnte, dass es aufwärts geht. Statt dessen knall ich mir das Knie kaputt und es geht weiter mit vorbeirauschendem Leben. Obendrein bin ich abhängig von Hilfe für mich und den Hund. Die Helfer machen das wirklich gerne, das weiß ich, aber ein gutes Gefühl ist es deshalb trotzdem nicht.

Darf ich da sagen, dass ich Leben oder Lebenszeit verpasse?
Wann ist Lebenszeit überhaupt verpasst?
Sind 5 Monate ausgebremst sein nur "ein paar verpasste Wochen"?
Vielleicht sollte ich froh sein, dass ich diese Lebenszeit nur mit nem kaputten Knie verpasse?
Muss ich dankbar dafür sein, dass ich sie nicht wegen einer Krebserkrankung oder einem Schlaganfall verpasse?
Muss ich es ohne Trauer ertragen, weil es anderen auch schlecht oder noch schlechter geht?

Darf ich sagen "eine kleine Menge Scheiße ist auch Scheiße"? Darf ich das so sehen oder muss ich dankbar sein, dass die Menge Scheiße klein ist und den Mund halten?

Vielleicht darf ich es zwar so sehen und so fühlen, sollte es aber besser nicht sagen, weil es die Mitmenschen belastet?

Fragen über Fragen.


Natürlich kommen wieder bessere Tage und ich werde natürlich irgendwann wieder rausgehen können und wandern und Freunde besuchen oder Veranstaltungen. Aber das ist doch erst mal Zukunftsmusik, von der ich noch nicht einmal weiß, ab wann sie wieder gespielt wird.

Nein, ich hänge nicht pausenlos rum und jammere. Ich versuche, das Beste draus zu machen, weil es ist, wie es ist und es geht weiter. Für mich und für den Hund. Ich mache Scherze wie immer. Dass ich hier manchmal hocke und nicht nur wegen der Schmerzen heule hat bis jetzt noch niemand mitbekommen. Ich gebe mir große Mühe, wie gewohnt die fröhliche, lockere, lebenslustige Renterin zu geben. Gelingt mir auch! Aber nicht in jeder Stunde des Tages. Ich gebe mir auch Mühe, am Unglück Anderer teilzunehmen, mitzufühlen und zu trösten, so gut ich das kann. Gelingt mir auch! Aber auch nicht an jeder Stunde des Tages. Aber die Aussicht darauf, wie es in den nächsten Wochen weitergeht, macht mich  nun mal traurig, wenn ich drüber nachdenke. Es macht mir das Gefühl, dass ich noch mehr Lebenszeit verpassen werde. Das positiv zu sehen, fällt mir schwer.

2015 ist nicht mein Jahr. Aber ich hoffe trotzdem auf einen schönen, goldenen Herbst. Bis dahin wird hoffentlich alles wieder vorbei sein.

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