Dienstag, 31. Januar 2017

Wenn alte Freunde alt werden.

Ich kenne sie nun seit 16 Jahren. Meine alte Freundin Erna (Name geändert). Als ich sie kennenlernte, war sie schon 70. Eine rüstige Wanderin, aktiv am Leben teilnehmend, gesellig und klar im Kopf. Wir mochten uns von Anfang an. Alle 14 Tage machte sie sich auf den Weg von Leverkusen zu mir nach Hause. Wir haben erzählt, was uns bedrückte oder uns gute Laune gemacht hat. Auch manchen "Schwank" aus dem Leben haben wir uns gegenseitig anvertraut, wir wussten unsere kleinen Geheimnisse, die man nicht jedem erzählt und manchmal lagen wir uns weinend in den Armen um uns zu trösten und wieder zu vergessen, was wir gerade aus den Tiefen der Erinnerung hervorgekramt hatten. Wenn sie wieder nach Hause fuhr, hatten wir uns gegenseitig gut getan.
Inzwischen ist Erna zu alt, um noch die Busfahrt nach Bergisch Gladbach zu machen. Es gibt lange Pausen, in denen wir uns nicht sehen und nur telefonieren. Aus diversen Gründen und wegen Umständen sind viele Verabredungen geplatzt oder kamen gar nicht zustande.

Im Herbst starb ihr Mann. Man soll nicht schlecht über Tote sprechen, aber ein Loblied gelingt Erna und mir auch nicht wirklich, denn er wurde mit zunehmendem Alter und nach einigen Schlaganfällen sehr schwierig und Erna war überfordert. Die Trauer um den Mann ist nicht groß, aber die Depression in die meine alte Freundin abgerutscht ist, ist es sehr wohl. Sie war im Leben nie alleine und es fällt ihr schwer, sich daran zu gewöhnen.

Der bisher so klare Kopf baut auch ab. Sie ist der erste Mensch in meinem Umfeld, bei dem ich das Altwerden so klar erlebe und den körperlichen und geistigen Absturz mitbekomme und bei dem mich das emotional berührt und traurig macht. Und ich merke: Ich kann ihr nicht helfen. Argumente, warum sie nicht jeden Morgen weinen muss, warum sie nicht traurig sein muss, gibt es zahlreich. Und ich versuche, ihr die aufzuzeigen und ihren Lebensmut wachzurütteln. Das gelingt mir auch. Leider nur für ca. 15 Minuten, dann hat sie alles wieder vergessen und erzählt wieder vom Weinen und der Lebensmüdigkeit.

Ihre Kinder kümmern sich zum Glück liebevoll um sie und es gibt Pläne für kleine Reisen, Tapetenwechsel und ärztliche/medikamentöse Unterstützung gegen die Depression. Das soll alles jetzt im Februar in Angriff genommen werden. Ich hoffe sehr, dass sie auf die Vorschläge der Kinder eingeht und wieder ein bisschen auflebt.

Mein Besuch bei ihr heute hat ihr gut getan. Wir haben einen Stadtbummel gemacht, waren lecker essen und haben viel erzählt. Aber ich bin sehr traurig nach Hause gefahren. Sie hat so viele schlimme Dinge erlebt, die mir hoffentlich alle erspart bleiben. Depession ist nicht das, was ich mir für sie wünsche.