Sonntag, 20. Dezember 2020

Über das Alleinesein


Und wieder einmal werden Frau Wirrkopf und das graue BamBam an Weihnachten und Silvester alleine sein. "Silvester ist immer schlimmer als Weihnachten," pflegte die wirrköpfige Frau immer zu sagen. In diesem Jahr stimmt das nicht. Die Aussicht auf eine verregnete Woche mit 3,5 Feiertagen macht mir in diesem Jahr ziemlich zu schaffen. Es gibt nichts langweiligeres als Feiertage. Aber in diesem Jahr kommen noch andere Faktoren dazu.

Ein Grund: Corona

Seit dem Frühjahr hat uns dieses Virus voll im Griff. Und mit ihm haben uns die Medien und die Politik, darunter die Lügner, die Leugner, die Schwurbler, die Fachleute, die Wissenschaftler, die Virologen, die Pharmaindustrie im Griff - denn alle scheinen nur eins im Sinn zu haben: Die komplette Verwirrung des Volkes. 

Die Verwirrung meiner ohnehin wirrköpfigen Person ist zu 100% gelungen, weshalb ich derzeit keinem mehr zuhöre, niemanden nach seiner Meinung frage und versuche alles zu übersehen, was mit Corona zu tun hat. Einzige Ausnahme: das Bürgerportal in Bergisch Gladbach. Ich weiß, dass man zumindest dort versucht, objektiv und sachlich zu berichten. Schließlich gehör ich da mit zum Team. Wenn dort steht, ich soll Maske tragen, dann trag ich eine. Und wenn dort z.B. steht, dass im gesamten Kreis in den vier Kliniken nur noch vier oder fünf Intensivbetten frei sind, macht mich das immer vorsichtiger. Ich weiß, dass auch normale OP-Patienten auf diesen Stationen liegen, aber eben auch Coronakranke. Und ich will keins von den restlichen freien Betten in Anspruch nehmen müssen. Weiß ich, wie es bei mir verlaufen würde, wenn ich es kriegen täte? Nein.

Mit Corona und dieser Vorsicht verbunden ist eine völlig neue Art des Alleineseins. Lockdown und Shutdown verhindern soziale Kontakte. Wobei man bei uns das Wort "Lockdown" wohl falsch benutzt, denn wir haben keine Ausgangssperren bisher, keine Isolation von gesunden Menschen. Wir haben aber den Shutdown, mit allem Geschlossenen was zur lebensnotwendigen Versorgung nicht gebraucht wird.

Ich darf also noch spazieren und einkaufen gehen, wann und wo immer ich will. Auf dem Markt im Supermarkt, in Drogerien, Apotheken, im Imbiss an der Ecke und im Post- oder Hermes-Paketshop. 

Ein Besuch in der Stadt wird aber völlig reizlos. Mal eben in die Stadt, Wolle aussuchen oder ein Buch gegen Langeweile - geht nicht. Auch der Kaffee danach beim Italiener - geht nicht. Der dürfte zwar Straßenverkauf machen, hat aber geschlossen, weil sich das für ihn nicht lohnt. Und Coffee to go hat eine schlechtere Qualität, als ihn in einem Straßencafé zu genießen.

Man will Menschenansammlungen verhindern. Das gelingt. Aber nur eingeschränkt. Denn die, die sich vorher in der Stadt zur Geselligkeit trafen und dort in den Straßencafes saßen, stehen nun auf Höhe der Straßencafés mit großem Abstand beisammen und unterhalten sich. Es sei ihnen gegönnt. Mir macht das jeoch keinen Spaß.

Vor Corona konnte ich alleine sein, wann und wo ich es wollte, mit dem Wissen dass die Welt um mich herum brummt. Ich konnte wenn ich Lust dazu hatte, in dieses Brummen hineingehen und es verlassen, wenn ich genug davon hatte. Jetzt brummt da aber nichts. Das aufgezwungene Alleinesein hat eine andere Qualität, ist bedrückend, und wenn man "nach vorne" schaut ist das Ende nicht abzusehen und macht unsicher und ein bisschen ängstlich.

Ein weiterer Grund: Das zunehmende Alter

Da ist plötzlich die Frage, ob ich wirklich mutterseelenalleine alt werden will. Noch ist der Grauling da. Aber er zeigt mir täglich, dass das nicht mehr lange dauert, dass er da ist. Und dann? 

  • Nach Hause kommen und da ist niemand? 
  • Den eigenen körperlichen Verfall registrieren und
  • einsehen, dass man in Zukunft immer weniger kann als heute noch?
  • Wäre es nicht besser, zu zweit zu sein und Schwierigkeiten zu teilen?

"Komm her, ich weiß, dass dir das schwer fällt, aber ich kann das noch. Lass mich das machen!" Niemand wird einen solchen Satz sagen.  Ich auch nicht, weil da niemand sein wird, der einen solchen Satz brauchen oder schätzen würde. Zu zweit könnte man die unumgängliche Tatsache, dass man irgendwann im Heim zur Verwahrung landet vielleicht um ein Jahr hinausschieben. Ein Jahr in dem man sich gegenseitig ermuntern könnte, optimistisch zu bleiben und das langsam verfallende Restleben auf eine ironische Schulter zu nehmen. Das Lachen nicht zu verlernen und wenn es das Lachen über die eigenen zunehmenden Unfähigkeiten ist, weil ja einer da ist, der einem vielleicht lachend drüber weg hilft. 

Ich habe oft gedacht, dass es leichter ist, alleine alt zu werden, weil man sich keine Sorgen um jemanden machen muss, den man liebt. Dass man den Schmerz, das Leiden oder den Tod eines geliebten Menschen nicht aushalten muss, wenn man alleine ist und bleibt.  

Aber vielleicht ist das ja nur Feigheit? Vielleicht ist diese Feigheit alleine viel schlimmer auszuhalten, als der Untergang zu zweit? 

Und was, wenn ich einsehe, dass ich mich bezügliche der Vorteile des Alleinseins geirrt habe und da dann trotzdem keiner ist und keiner mehr kommt? Das könnte in Depression enden, denn ich glaube die Kraft, alleine bis zum bitteren Ende fröhlich und lachend auszuhalten, diese Kraft werde ich nicht haben. 

Und DAS wär dann noch das dritte Problem.